Haltungsform - Was ist wichtig

Hier geht es um das Krankheitsbild eines hyperaktiven Pferdes. Das Thema steckt noch in den Kinderschuhen, hier soll eine breite Informationsplattform entstehen.
Antworten
Benutzeravatar
LeonieMay
Beiträge: 8527
Registriert: Mi 12. Okt 2011, 09:03
Wohnort: Im Stall

#1 Haltungsform - Was ist wichtig

Beitrag von LeonieMay » Fr 6. Jan 2012, 00:34

Hyperaktivität hat leider die negativen Auswirkungen, daß die Pferde, wenn sie in eine Streßsituation geraten, nicht wie ein normales Pferd sich schnell wieder beruhigen und/oder herunter fahren sobald man aus der Situation heraus geht oder sie abstellt, sondern über Stunden oder Tage weiter mit Überreiztheit, erhöhtem Bewegungsdrang reagieren.

Beste Beispiel ist z.B. beim Longieren. Sie können kaum still stehen, wenn sie ins Laufen geraten ist es schwer wieder anzuhalten. Selbst wenn sie ermüdet sind, sie würden rennen bis sie umfallen. Es git im Grunde keine natürliche "STOP-Taste" mehr.

Somit ist ein geregelter Tagesablauf sehr wichtig. Von Fütterungszeiten über Raus- und Reinbring-Rituale.

Nicht alle, aber viele hyperaktive Pferde sind sehr sensibel. Das positive, sie sind sehr pfiffig und lernen schnell. Zum anderen sind sie oftmals aber auch sehr Personenbezogen. Ein wechselnder Tierarzt oder Hufschmied versetzt sie in Streß, Verweigerung oder gar Angriffslust.

Da es in vielen Pensionsställen in Mode gekommen ist, daß die Besitzer am Wochenende selber die Pferde auf die Weiden oder den Winterpaddock stellen, sind somit die ersten Probleme vorprogrammiert.

Da viele hyperaktive Pferde in der Vorfreude auf die Weide oder das raus kommen aus der Box überdrehen, sind sie schwer händel- und führbar.

Ich habe neulich erst in einem Artikel gelesen, daß hyperaktive Pferde nur im Offenstall gehalten werden sollten. Dem muß ich leider aufgrund meiner Erfahrung wiedersprechen. Schlechtes Wetter, Sturm, Gewitter, Außengeräusche vor allen Dingen in der Nacht, setzen diese oftmals so unter Streß, daß Magengeschwüre, Koliken etc. nicht lang auf sich warten lassen.

Im Offenstall kann dem Bewgungsdrang ausreichend Rechnung gezollt werden, allerdings fehlen hier oftmals die Ruhepoole. Da ein hyperaktives Pferd nicht aufhören würde zu laufen, wenn es überdreht sondern eher tot umfallen, kann es durch den ausgesetzten Wetterumschwüngen und der Geräuschkulisse im Offenstall ebenso sehr schnell überdrehen.

Einfach beobachten.

Boxenhaltung mit viel Auslauf: Bitte auch im Winter eine Paddockhaltung anbieten. Bei der Box würd ich schauen, da ich selber grad die Erfahrung zum 2 Mal machen durfte, daß das Pferd möglichst eine ruhige Box bekommt, mit wenig Laufverkehr. Ebenso sollte sie nicht zu offen gestaltet sein. Leider sind Fenster schon oft zu viel des Guten oder Boxen ohne Gitter. Wenn jetzt jemand denkt, oh Gott, wie kann sie das nur empfehlen, dann kann ich nur sagen, mir blutet bei der Vorstellung dieser empfohlenen Boxenhaltung auch das Herz.

Meiner fühlte sich bis dato bei meiner Traininerin in einer 70er Jahre Box, wo die Boxenwände noch hoch gemauert waren, das Fenster so hoch war, so daß er nicht rausschauen konnten und in einem Stalltrakt indem sich nur 6 Pferde befanden am wohlsten. Der Stall ging um 8 Uhr auf, über mittag war 2 Stunden Mittagspause und abends um 19 Uhr wurd der Stall abgeschlossen. Ich fand es grausig, doch da es nur für die Zeit dort war, in der ich beim Einreiten noch jemanden brauchte der mich an die Longe nahm, hatte ich es akzeptiert.

Dann stellte ich ihn in den Pensionsstall zu meiner Stute, wo 80 Pferde und 20 Pony´s beherbergt wurden. 2 Reithallen, 1 Longierhalle, 4 Außenplätze. Seine Box befand sich in der MItte der Stallgasse bei 30 Pferden, keine Öffnungszeiten, hell, groß, luftig, Fenster. Er bekam gar keine Ruhe mehr, wurde zum Boxenrenner, schlief nicht mehr, überdrehte vollkommen.

Der Klinikdoc kam zu dem Schluß damals, nachdem wir gesundheitlich vieles abgeklärt hatten, daß ein Stallwechsel unumgägnlich wäre in eine ruhigere Atmosphäre. Und es stimmte. Keine 4 Tage nach dem Umzug war er wieder fast wieder der Alte.

Aufgrund der Erfahrungen, weil dann noch 2 weitere Umzüge mit ihm erfolgten bis er hier zu Hause stand ist meine Empfehlung; eine ruhige Box wählen, keinen zu großen Stall, wenn es zu den Arbeitszeiten paßt, wirklich einen mit Öffnungszeiten, Stammpersonal, kleine Herde.

Fur mein Pferd war es wichtig, eine in sich geschlossene Box zu haben, ohne Einflüsse von außen. Zur Zeit biete ich ihm einen Kompromiß, mit dem wir hoffentlich beide gut leben können.

Zur Weide; da sehe ich noch eins der größten Probleme, die ich hier auch gerade zum erneuten Mal erleben durfte. Da wir keine riesigen Weideflächen mehr zur Verfügung haben, muß einfach in der heutigen Zeit umgeweidet werden, damit die Weideflächen sich erholen können. Wenn es geht, würde ich zusehen, daß das nicht wöchentlich geschehen muß, da es ihnen schwer fällt sich in der neuen Umgebung mit den neuen Sichtfeldern, Umgebung und Einflüssen, zurecht zu finden und nicht in Streß zu verfallen. Somit kann man den Zappelphilipp Anflügen recht gut aus dem Weg gehen. Optimal wäre ein weiterstecken der Weiden.

Ebenso sind große Herden oftmals ein Problem. Wenn neue Pferde raus und rein gehen in die Herdengemeinsch muß mit Rangordnungskämpen gerechnet werden, mit denen hyperaktive Pferde vollkommen überfordert sind. Leider steigt auch die Verletzungsgefahr, da sie mit ihrer Zappelligkeit gemoppt werden. Keine Angst ich halt hier kein Plädoyer für Einzelnhaltung. Meiner war auch in einer gut bestehenden Herde mit 8 Pferden aufgehoben, da die Weide sehr groß war. Mehr Pferde in einer Herde klappt allerdings leider meist nicht. Was ich beobachten konnte ist, daß Jungspunde mit hyperaktiven Pferden, da sie sehr viel Spielen und kaspern besser zu Recht kommen und sich anschließen, als ältere Pferde, die wirklich arg genervt reagieren.

Zum Tierarzt und Hufschmied. Tja, diese Termine haben mir oft richtig Magenschmerzen verursacht, obwohl ich das in fast 30 Jahren Pferdeerfahrung bis dato noch nie kannte.

Hyperaktive Pferde sind oft sehr Sensibel und übermäßig Geräuschempfindlich und "leider" manchmal zu Personenbezogen, da sie oft sehr mißtrauisch auf Fremde reagieren.

Sprich, Tierkliniken oder Tiearztgemeinschaften schicken oftmals unterschiedliche Tierärzte raus, was zu Behandlungsproblemen führt. Brüllt dann noch jemand los...war es das zumeist mit der "netten, üblichen" Behandlung. Sicherlich soll den Tierärzten auch nichts passieren, aber eine Nasenbremse ist einfach keine Lösung für diese Pferde und verschlimmert den nächsten Besuch um einiges und kann das Training um Jahre zurück werfen, wie ich jetzt auch gerad erfahren durfte.

Von daher sage ich vorher telefonisch schon bescheid, ich möchte den "einen" bestimmten Tierarzt, der mit Ruhe und Geduld da ran geht. Meiner war mitlerweile genaus zu behandeln wie mein anderes Pferd. Um genauer zu erklären wo das Problem liegt bei fremden Tierärzten; Meist sind Tierärzte eh keine gern gesehenen Gäste bei Pferden. Trifft er nun auch noch auf ein hyperaktives Pferd, ist dieses besonders kritisch, da sie sehr mißttrauisch aufgrund ihre personenbezogene Art sind. Was sie in der Kombination Tierarzt- fremde Person die auch noch etwas von ihnen möchte oder gar "piekst" in Streß versetzt. Streß löst die Hyperaktivität aus. Somit kommt die geballe Bandbreite vom Zappeln über Wiedersätzlichkeit bis hin zur Agressivität auf den Tierarzt und den Pferdebesitzer zu.

Unser schönstes Erlebnis vor zwei Monaten in dieser Hinsicht war: Es kam nicht unser neuer Stammtierarzt, da Wochenendienst. Leider konnte ich es nicht auf Montag verlegen, da er einen fieberhafter Infekt hatte. Somit kam der Notdienst: Eine neue Tierärztin mit einem heiden Respekt und/oder Angst, da mein Pferd sehr groß ist, verspritzte sich dann 2 Mal, ein Abzeß bildete sich sofort, was natürlich noch zusätzlich schmerzhaft für ihn war. Beim Besuch zwei Tage später um die Antibiotikumgabe zu wiederholen, zappelte er etwas, sie verspritzte sich wieder. Zusätzlich verunsicherte sie ihn so durch ihre Angst, daß wir ihn kaum noch beruhigen oder gar halten konnte. Selbst als der alte Tierarzt nach zwei Monaten wieder kam, klappte eine normale Blutentnahme unter großem Protest seinerseits erst nach vielen Anläufen wieder. Er stand unter STreß, wollte im Kreis laufen...schlug mit dem Kopf rauf und runter, piaffierte. All die normalen Anzeichen für enormen Streß.

Genauso halte ich es mitlerweile auch mit Hufschmieden. Das Problem beim Hufschmied ist eben, daß sie wirklich nicht in Streß geraten um still stehen zu können über einen längeren Zeitraum. Beim Beschlag halt noch um einiges länger. Was unter der Voraussetzung, daß der Schmied nicht täglichen Umgang mit ihnen pflegt, dann noch komische, fremde Geräte in der Stallgasse aufbaut, der Brenner starke Geräusche verursacht, Dampf beim Beschlagen, so wie das Verformen vom Schmieden des Eisens...ist das eine der größten Baustellen für uns gewesen.

Ein ruhiger geduldiger Schmied hat mir geholfen, daß er fast genauso zu handhaben ist wie mein anderer. Wird er mal frech, darf dieser nach einem Jahr mitlerweile auch mal schimpfen, ohne das er so ausflippt, daß wir die restlichen Hufe nicht mehr bearbeiten können.

Edit:

Ich möchte Euch noch einmal um etwas bitten; Mitlerweile kommen immer wieder Benachrichtigungen mit Anfragen, habe ich nun ein hyperaktives Pferd oder nicht.

Ich kann auch verstehen, daß man hier nicht unbedingt öffentlich die ganze Geschichte von seinem Pferd aufschreiben möchte, da man ja zumeist schon eine Leidensodyssee hinter sich hat, oftmals zu hören bekam "das unerzogene Pferd" oder man fühlt sich unfähig, weil man sie nicht gehändelt bekommt.

Wer sich nicht unbedingt wegen der Fragen anmelden möchte, wir aber alle über einen regen Austausch profitieren können, habe ich von daher jetzt eine E-Mail Adresse eingerichtet unter



leoniemay( a )gmx.de



Damit aber alle von Euren Erfahrungswerten profitieren könnten, würde ich gerne einige Fragen und Antworten die per PN oder E-Mail gestellt werden, anonymisiert hier einstellen. Falls ihr das nicht möchtet, teilt mir das bitte in Euren Nachrichten mit.

Hilfreich ist es immer, wenn Ihr Video´s vom Verhalten Eurer Pferde machen und mitschicken könntet, was im heutigen High-Tech-Zeitalter der Handy´s ja kaum noch ein Problem ist. Das ist oftmals sehr aufschlußreich.

Lieben Dank, Eure LeonieMay

Es ist ein Jammer, daß die Dummköpfe so selbstsicher sind und die Klugen so voller Zweifel
Bertrand Arthur William Russel
Antworten