Lenken durch Energie

Alles rund ums Pferd, was nicht so recht in die anderen Kategorien rein passen mag.
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Dori
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#1 Lenken durch Energie

Beitrag von Dori » Fr 5. Okt 2012, 20:10

Ich stoß hier jetzt mal ein Thema an, welches mich im Moment erstmalig beschäftigt.

Meine Reitleherin brachte mich auf die Idee. Ich suchte nach der natürlichsten Art mit Pferden zu kommunizieren. Ohne viel künstliche Konditionierung.
Im Kern geht es darum, immer genau soviel Energie in das Pferd reinzugeben, wie man von ihm wiederbekommen möchte.

Es fängt im Kleinen an...
Ein Pferd läuft im Roundpen um dich rum. Du richtest dich auf, wirst groß, trittst ein Stück hinter den Mittelpunkt des Pferdes. Du veranlasst das Pferd im Tempo zuzulegen.
Wirst andersrum kleiner, weniger bedrohlich, passiver. Dein Pferd wird langsamer.

Alles ohne dass ein Wort gesagt wurde.

Nächste Situation.
Das Pferd steht am Putzplatz. Weg von der Herde, es scharrt, oder stampft.
Was machst du? Sagst "nein, lass das", "Mensch, ich sagte lass das", gehst auf das Pferd zu, vielleicht gibts nen Klaps auf die Schulter?! Es ist dir peinlich, oder du wirst sauer. Alles beinhaltet unglaublich viel Energie, die das Pferd spiegeln wird (Gell? Das Pferd als Spiegel des Menschen?! ;) )
Ich versuche es seit kurzem anders. Ich halte im Putzen inne, schiebe die Schulter so lange an, bis sie das Gleichgewicht verliert und beide Beine zum ausgleichen braucht. Das Absetzen verbinde ich mit einem möglichst passiven "Steh", oder "Whoa" und mache in Ruhe ohne jeden Stress weiter. Keine Energie, ich will Ruhe, also gebe ich ihr Ruhe.

Seit kurzem versuche ich genau das in die Reiterei zu übertragen.
Ich habe eine Dressurreiterin stoppen gesehen.
Pferd soll aus dem Trab halten. Der Gaul tut dies nicht bei X, also werden die Zügel aufgenommen, die Sporen ins Pferd getrieben und Rückwärts gerissen. Klar male ich Schwarz und Weiß... aber so werden für mich die Unterschiede einfach viel deutlicher.
Wenn ihr die Möglichkeit habt. Setzt euch auf ein rohes Pferd, oder einen Remonten... Was wird dieses Pferd tun, wenn ihr Schritt geht und plötzlich jede Energie aus dem Ritt nehmt? Einfach aufhört zu reiten??? Ich gehe jede Wette ein, dass dieses ursprüngliche Pferd anhalten wird.
Anders werdet ihr größer, gebt Energie rein ins Pferd. Wollt mehr. Das Pferd wird aktiver werden. Ohne ein Wort.

Versucht euch mal an Tempiwechsel im Trab. Mit Energie aufstehen und einsitzen. Oder ausatmen, passiver werden.

Oder geht Schritt und hört auf zu reiten. Völlig energielos. Wenn das Pferd euch zuhört wird es halten.

Ich weiß nicht, ob das überhaupt jemanden interessiert, aber ICH finde den Ansatz super spannend. ;) Leider kann ich euch das hier nicht im Ansatz so gut erklären, wie meine RL mir das erklärt. Ich hoffe, ihr versteht trotzdem, um was es mir geht... :mx35:
Wenn du eine falsche Antwort von deinem Pferd erhälst,
hast du entweder das Falsche gefragt oder die Frage falsch gestellt.
Tom Dorrance
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LeonieMay
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#2 Re: Lenken durch Energie

Beitrag von LeonieMay » Fr 5. Okt 2012, 20:54

Wieso find das ist ein richtiger Weg und auch vollautomatisch.

Dhani ist ja ein überdrehter Hunde-Clown. Wenn wir beim Trainer oder Doc waren, beides Männer um die 1,90, übertrug sich die Ruhe, sie wurde wie ein Lamm.

Kam Besuch und es hieß, weg ab, los, ruhe, Stimme wurde lauter...rate mal was passiert. :D Sie überdrehte. Sie braucht nen Ruheplatz.

Manchmal ist es nur die Art wie sich Menschen bewegen, daß Tiere mit Respekt und Ruhe reagieren, automatisch mehr hinhören und respektvoller mit einem umgehen.

Ich hab das hier beim Longieren mit dem anderen Pferd neulich gehabt. Longierpeitsche, immer wieder reden, rede Peitsche, ihr Pferd tauchte ab, schnaselte, war in seiner Welt abgetaucht. Fazit von ihr: Longierpeitsche zur kurz, der ist von natur aus triebig und hat heute keine Lust.

Ich nahm die gleichen Dinge, schlurfte aber nicht im Kreis, ging schwungvoll ganze Bahn, hatte nach ein paar Minute die Aufmerksamkeit und benötigte die Peitsche für sein plötzlich auftauchendes frisches Arbeitstempo nicht.

Gleiches ist beim Trab, wenn ich zusammen sacke, runter schaue, sieht es unter mir meist mit der Hinterhand der Biegung und allem auch so aus, entweder luschig oder immer nur 80 %. Macht man sich groß,, kommt positive Spannung in den Körper, nicht verspannen - negativ, lächelt man vielleicht noch...wird der ganze Ausdruck anders.

1 Pferd, 2 Reiter oder Pfleger, jeweils für 4 Wochen einzeln am Pferd, würden Dir ja auch oftmals unterschiedliche Eigenschaften, Rittigkeit und Verhalten beschreiben. Pferde stellen sich instinktiv auf das Verhalten, den Tonfall und Umgang ein.

In unserer schnelllebigen Zeit wird leider zu wenig beobachtet, automatisch gemacht oder erwähnt man es in der Art wie wir es tun...heißt es öko Freizeitreiter. Aber gute Dressurreiter, Springreiter etc. machen es auch automatisch unbewußt. ;)

Es ist ein Jammer, daß die Dummköpfe so selbstsicher sind und die Klugen so voller Zweifel
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#3 Re: Lenken durch Energie

Beitrag von Higgins » Fr 5. Okt 2012, 22:34

Dori, vielen Dank, das du hierfür das Thema aufgemacht hast.

Ich finde das höchst interessant und ist mal wieder ein neuer-alter Ansatz.

Obwohl das ja eigentlich sehr logisch ist, denke ich, ist das in der heutigen Zeit doch sehr in den Hintergrund getreten. Ich freue mich schon auf weitere Berichte, Erfahrungen und Diskussionen.

Das ein Pferd, Hund, Katze, Maus oder sogar der Mensch selber bei Person A sich anders verhält und reagiert als bei Person B ist immer wieder erstaunlich und doch so natürlich. Nur macht man sich meistens keine Gedanken darüber, wieso das so ist. Insofern, vielen Dank, für das wieder Augen öffnen und besinnen auf das Wesentliche. Wobei ich denke, das viele hier intuitiv so handeln.
Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und niemand ginge, um zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge.
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#4 Re: Lenken durch Energie

Beitrag von Charda » Sa 6. Okt 2012, 10:26

Naja. So alt oder so neu find ich das nicht. Schöner Thread Dori! :thumbs:

Aber ist das nicht recht "normal". Also gerade der Ansatz mit den Übergängen...

Ich kenn mich in deiner Gegend nicht sehr gut aus, aber für mich kommt immer zuerst ordentlich "dran denken" und das was ich an Lektion reiten möchte "verinnerlichen" und mir vor zu stellen. Meist reicht das schon. Dadurch sitzt man auch schon automatisch ein Stück näher an der richtigen Hilfe. Wenn dann nichts kommt, werde ich erst deutlicher in Form von Bein, Stimme oder Gerte /Sporen, Zügelhilfe.

Nur beim Putzen, da stimm ich dir zu. Da geht es nicht IMMER so ruhig. Manchmal nehm ich mir genau hierfür etwas zu wenig Zeit. Oftmals kann ich das schon alles ruhig und geschmeidig halten, aber manchmal hat man halt "Tage"... ;) Da ist man gestresster, Launischer. DAS wirkt sich natürlich absolut aufs Pferd aus. Stimmt schon.

Ich denke auch, dass der "Aha" Effekt beim Pferd wesentlich deutlicher ist, wenn man es ihm in RUhe und mit Geduld beibringt.

Das beispiel mit dem Scharren am Putzplatz find ich super. Chardo "stampft" ja immer eher, wenn er ungeduldig wird. Wenn ich ihn "RÜge" dann macht es das nicht besser. Ganz im Gegenteil. Dann geht er immer noch einen schritt vor und noch. (Ich putze ja ohne an zu binden. Steht also frei)
Wenn ich ihn aber einfach einen Schritt in die Ausgangsposition zurück stelle, gerade stelle, dann lässt er es sein.

Beim Longieren find ich die Körpersprache am wichtigsten. Steh ich Stramm, geschlossen, Aufrecht, nahezu in ANgriffsstellung bekomm ich mehr energie. Lass ich mich zusammen sacken, Schultern hängen bekomm ich weniger. Meist kann ich sogar durchparieren in dem ich nur die Longenhand absenke. Ganz ohne Stress/Stimme oder ähnliches. Wendungen klappen super, durch lediglich Stellen in eine andere Korrekte Position.

Es lässt sich sehr viel über Körpersprache / Energie kommunizieren. Ich denke, dass das fürchterlich viele auch unbewusst machen. Und manche lassen sich so fremdbeeinflussen, vom Wetter, vom Stress, von der Arbeit, dass es dann eben auch mal hektischer wird. Die Energie überschattet wird oder einfach prinzipiell schon zu viel Energie ausgeschüttet wird...

Bei Jungen Pferden bleib ich vorher daheim, bevor ich gestresst ans Tier geh. Das machts meist eher schlimmer wie besser ;)
Viele Menschen sind zu gut erzogen um mit vollem Mund zu sprechen, haben aber keine Probleme dies mit leerem Kopf zu tun.
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Leo
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#5 Re: Lenken durch Energie

Beitrag von Leo » Mo 8. Okt 2012, 13:11

Ich versuch das ja auch bei allem umzusetzen, bei meinem Nervknubbel. Damit er schon beim putzen ganz relaxed ist. Deshalb reite ich ja bevorzugt auch dann, wenn ich völlig entspannt bin.
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#6 Re: Lenken durch Energie

Beitrag von Lou » Di 23. Okt 2012, 09:55

Für dieses Thema gibt es meinerseits eine glatte 1 + mit *! :thumbs:
Es ist schön zu lesen dass sich hier einige ebenfalls mit dieser Denk, bzw. Reitweise beschäftigen.
Sooo verbreitet ist sie nämlich nicht. Ich komme ja durch die Reitstunden einigermaßen viel rum, was ich sehe ist leider meist das totale Gegenteil. Gerade bei der Ausbildung von Jungpferden ist das eine Schande. Es könnte vieles so einfach sein...

Über den Öko Freizeitreiter musste ich grinsen. Ich bin nämlich auch eine Öko-Tante. :mrgreen:
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#7 Re: Lenken durch Energie

Beitrag von Leo » Di 23. Okt 2012, 10:09

Aber das liegt oft einfach am Unvermögen der Reiter. Und das oft gepaart mit der Einstellung, dass man doch alles richtig macht. Ich ertappe mich so oft dabei, dass ich viel zu viel mit den Zügeln hantiere zB. Und mein Pferd läuft trotzdem klaglos :oO: Ich entschuldige mich dann meist gedanklich bei ihm und versuch, bewusster drauf zu achten, ihn weniger aus dem Konzept zu bringen. Eigentlich besteht mein Reiten zur Zeit ganz massiv daraus, einfach nur darauf zu achten, ihn durch meinen schlechten Sitz und grobmotorische Hilfengebung nicht aus dem Konzept zu bringen :D Nur - mir ist bewusst, dass ich die Problematik immer grundsätzlich erst mal bei mir suchen muss. Das Pferd läuft so, wie es das von mir vorgegeben bekommt.
Die meisten Reiter aber ärgern sich doch, wenn was nicht läuft, über "den blöden Bock, der es einfach nicht kapiert" anstatt darüber, dass sie nicht in der Lage sind, dem Pferd korrekte Signale zu geben.
Leider, leider, leider wird das aber doch auch so in den meisten Reitställen schon den Anfängern mit auf den Weg gegeben. :-/
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#8 Re: Lenken durch Energie

Beitrag von Lou » Di 23. Okt 2012, 11:14

Hallo Leo, wenn man das Thema "Energie" losgelöst von der Reiterei betrachtet, ist es einfach so das man nicht gleiches mit gleichem beheben kann. Also jetzt mal unabhängig vom Sitz - der natürlich der Schlüssel ist. Aber jede Veränderung beginnt im Kopf.
D.h. zuerst kommt die Erkenntnis das man ein aufgeregtes Pferd (man tausche das Wort Pferd gegen Kind, Schwiegermutter, oder was auch immer ;-) ) nicht dadurch beruhigt in dem man aufgeregte Energie "rein" tut, einfach gesprochen.
Das kann man im Grunde auf alle Lebenslagen übertragen. (und schooon haben wir durchs Reiten was fürs Leben gelernt :D )
Wenn man es schafft das wirklich zu verinnerlichen, also zu leben, hat man schon einiges getan.
:)
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Higgins
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#9 Re: Lenken durch Energie

Beitrag von Higgins » Di 23. Okt 2012, 13:39

Ja ja, die liebe Energie..

Ich probiere das ja momentan auch aus. Nur dummerweise schaffe ich es ja höchstens 2 mal die Woche aufs Pferd, oftmals nur einmal, oder auch gar nicht.

Vor zwei Wochen hat alles gepasst, klappte alles wunderbar. Jetzt am Wochenende war Schritt-Halt schon nicht wirklich sauber. Eher katastrophal. Pferd gegen die Hand, Giraffe vom feinsten.

Und ich merke, wie ich in solchen Situationen seeeeehr aufpassen muß, es weiter mit Ruhe zu probieren, und nicht grob zu werden. Andereseits, was will ich bei einmal die Woche erwarten? Pferdchen wird ansonsten von meiner RB bewegt. So, genug gejammert.

Was wollte ich mit dem Text sagen? Eigentlich nur, das für den Weg der Energie auch sehr viel Geduld nötig ist.
Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und niemand ginge, um zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge.
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#10 Re: Lenken durch Energie

Beitrag von Lou » Di 23. Okt 2012, 13:51

Ja, das stimmt mit der Geduld. Und Fakt ist auch, wenn man sich das Pferdchen mit anderen teilt, dauert es gleich doppelt so lange, das muss man relatistisch sehen. Es sei denn alle ziehen an einem Strang.
Allerdings zahlt sich die investierte Geduld irgendwann doppelt aus.
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