PSSM / EPSM

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Pennywise
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#1 PSSM / EPSM

Beitrag von Pennywise » Di 18. Okt 2011, 19:24

Da mein Pferd vor kurzem PSSM positiv getestet wurde (PSSM/N), dacht ich, ich mach hier mal einen kleinen Info-Thread auf – da die Krankheit ja doch noch recht wenig bekannt ist.

Was heißt PSSM eigentlich? Es ist eine Polysaccharid Speicher Myopathie. Vereinfacht gesagt, eine erblich bedingte Stoffwechselkrankheit. Meist sind amerikanische Rassen wie Quarter Horse, Paint Horse und Appaloosa betroffen, selten Warm- und Kaltblüter.

Wie äußern sich die Symptome? Sehr vielfältig. Häufig entstehen Muskeltremore, kolikähnliche Symptome, kreuzverschlagähnliche Symptome, wechselnde Lahmheiten, Verkrampfungen, bis hin zu partiellen Lähmungen der Hinterhand. PSSMler haben meist eine sehr ausgeglichene Psyche, gelten als ruhig, faul, bewegungsunlustig, weisen dabei aber eine ausgeprägte Muskulatur auf.

Was passiert dabei im Körper? Die Polysaccaride (die Mehrfachzucker) können vom Körper nicht mehr verstoffwechselt werden und werden in den Muskelzellen gespeichert. Dabei entstehen starke Muskelstörungen, die dazu führen, dass Myoglobin ins Blut abgegeben wird.

Wie wird PSSM festgestellt? Eine eindeutige Diagnose des Typs PSSM I ist nur über eine Haaranalyse möglich, Typ II hingegen (der jedoch viel seltener vorkommt) nur über eine Muskelbiopsie. Ein Blut kann nur auf PSSM hinweisen, aber keine definitive Diagnose stellen.

Mein Pferd hat PSSM – was tun? Zunächst ist es extrem wichtig, die Fütterung und die Haltung des Pferdes anzupassen. Absolutes Gift für PSSMler sind jegliche Getreidesorten, Melasse, Zucker. Ausnahme bildet hier jedoch die Reiskleie, die in der PSSM-Fütterung hoch empfohlen wird. Als Energielieferant wird Öl verwendet, auch Vitamin E zur Unterstützung der Muskeln ist notwendig. In der Haltung und im Training ist Bewegung das A und O. Über viele Stunden in der Box zu stehen ist ebenfalls absolutes Gift. Ganztägiger Weidegang, optimalerweise Haltung im Offenstall, ist also zu bevorzugen. Da PSSMler nasses und kaltes Wetter sehr schlecht vertragen, sollte unbedingt eingedeckt werden. Lieber zu früh und zu dick als zu spät und zu dünn. Im Training ist eine lange Aufwärmphase zu beachten. Unter 20 bis 30 Minuten Schritt vor der „richtigen“ Arbeit geht in unserem Fall gar nichts. Hier ist nun auch die Abschwitzdecke unser ständiger Begleiter. Um einfach die Muskulatur warm zu halten/beim warm werden zu unterstützen. Nach dem richtigen Aufwärmen ist Kontinuität das zweite Zauberwort. Tägliche, konstante Bewegung ist wichtig, Stehtage unbedingt vermeiden. Auch wenn es nur eine kurze Schrittrunde ist. Alles in allem ist die Diagnose zwar unschön, aber kein Weltuntergang. Wenn man es früh erkennt und alle Faktoren beachtet, hat das PSSM-Pferd normalerweise keinerlei Einschränkungen in seiner Lebensqualität.

So, ich denk das war erst einmal der gröbste Überblick. Falls ihr noch Fragen habt – schießt los, ich versuch sie so gut es geht zu beantworten ;-)
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TinkerBell
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#2 Re: PSSM

Beitrag von TinkerBell » Di 18. Okt 2011, 20:48

Japp, habe direkt eine Frage.

Weiß man/weißt du, warum die Verstoffwechselung gestört ist??

Also wo genau hakts da?
Welcher Stoff/welcher Prozess genau ist gestört?
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LeonieMay
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#3 Re: PSSM

Beitrag von LeonieMay » Di 18. Okt 2011, 21:44

Pennywise hast Du vielleicht Fachseiten die Du empfehlen kannst oder ähnliches? Ich probiere parallel Erfarhungen wie verhalten sich Pferde bei RER was ja ähnlich ist zu finden. Aber sehr mager.

Ich hab nur gelesen das es bei Facebook eine Liste mit getesteten Hengsten gibt.

Glaub bei PSSM ist noch ein Unterschied ob sie es doppelerbig bekommen haben oder einerbig vom Kranheitsverlauf.
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Pennywise
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#4 Re: PSSM

Beitrag von Pennywise » Di 18. Okt 2011, 21:59

@ Tinkerbell:
Quelle: PHCG, Dr. Ines von Butler-Wemken
Muskelbiopsien bei PSSM zeigen eine 1,5 bis 4 fach so hohe Glycogen-Konzentration im Muskel als bei gesunden Pferden. Bei PSSM scheint die Insulin-Reaktion auf Glucose im Futter deutlich heftiger zu sein als bei gesunden Pferden. Warum der Metabolismus bei PSSM Polysaccaride (Mehrfachzucker) anders verstoffwechselt und in der Muskulatur speichert, ist noch nicht abschliessend geklärt.
:mx13:

@LeonieMay:
Hmm, Fachseiten kann ich dir nicht empfehlen, außer eben oben zitierte Frau Dr. Ines von Butler-Wemken. Von ihr hab ich eigentlich so gut wie mein ganzes Wissen zu dem Thema. RER ist leider nicht mein Spezialgebiet, sorry! Da würd ich jetzt nur gefährliches Halbwissen verbreiten.
Beim Krankheitsverlauf gibt es sooo viele Unterschiede *seufz* Bzgl. doppel- und einerbig bin ich grad auch überfragt, aber zwischen Typ I und Typ II gibt's definitiv große Unterschiede.
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#5 Re: PSSM

Beitrag von TinkerBell » Di 18. Okt 2011, 22:03

Ahhh. Ok.

Da wird immer so betont, dass POLYsaccharide. Wie ists mit Monosacchariden??

Und hat das Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel? Ähnlich wie beim menschlichen Diabetiker??
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#6 Re: PSSM

Beitrag von Pennywise » Di 18. Okt 2011, 22:18

Da ich es in eigenen Worten nicht sonderlich toll wiedergeben kann, hier nochmal ein Zitat :D
Die Erkrankung ist durch eine stark erhöhte Aufnahmerate von Glucose (Monosaccharid) aus der Blutbahn in die Muskelzelle gekennzeichnet, wodurch in der Muskelzelle eine gesteigerte Synthese und Einlagerung von Glycogen (Polysaccharid) stattfindet. Die in der Studie von Valberg und Mickelson PSSM-erkrankten Quarter Horses zeigten signifikant höhere Glykogenmengen in der Muskelzelle als gesunde Pferde. Diese Störung basiert auf einer erhöhten Empfindlichkeit der Muskelzellen auf Insulin, die zu der Aufnahme einer über dem Durchschnitt liegenden Menge an Glucose in die Skelettmuskulatur führt. Die Hauptwirkung des Insulins, das von der Bauchspeicheldrüse freigesetzt wird, ist die rasche Senkung der Blutzuckerkonzentration als Reaktion auf eine kohlenhydratreiche Ernährung. Es reguliert die Aufnahme von Glucose in die Körperzellen. Zusätzlich zur übermäßigen Speicherung von normalem Glykogen, lagern sich große Mengen von abnormen Polysacchariden zu Einschlüssen in den Muskelfasern an. Die Problematik bei PSSM besteht darin, dass Mehrfachzucker nicht durch das Enzym Amylase zersetzt werden können. Die normale Form des Zuckers (Glykogen) und die abnorme Form (Polysaccharide) lagern sich dann in den Muskelzellen ein und können nicht abgebaut werden. Bei einer Muskelbiopsie sind diese abnormen Polysaccharide und überschüssiges Glykogen nach Einfärbung als dunkle Bereiche in den Muskelfasern zu erkennen und typisch für den PSSM-Muskel.
Quelle: ebenfalls PHCG, Dr. Ines von Butler-Wemken
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#7 Re: PSSM

Beitrag von TinkerBell » Mi 19. Okt 2011, 08:39

Also wenn ich das jetzt so am frühen Morgen richtig versteh, ist das sozusagen "das Gegenteil" von Diabetes beim Menschen.

Beim Diabetes ists ja so, dass die Muskelzellen aufgrund einer Insulinresistenz nicht mehr so optimal auf das Insulin reagieren - und deshalb weniger Glucose umgebaut und eingelagert wird. Und in Folge dessen der Blutzuckerspiegel erhöht ist.

Hier ists ja so, dass die Muskelzellen besonders sensibel aufs Insulin reagieren (anscheinend) - deshalb wird besonders viel Glucose in die Muskeln transportiert und eingelagert. Folge: Blutzuckerspiegel ist eher zu niedrig...

Jetzt würde mich mal weiter interessieren - Glucose hat ja eigentlich einen gewissen Sinn im Körper *g*.
Sprich, dient ja durchaus zur Energieversorgung. Besonders natürlich fürs Gehirn.

Die Symptome scheinen aber vor allem im Bereich Bewegungsapparat zu liegen. Und so bißchen im Gemüt, nenn ichs jetzt mal.

Wie siehts eigentlich mit der Versorgung des Gehirns aus???

Ich mein, dass wenig Getreide gefüttert werden darf - ist mir logisch. Weil dadurch ja Insulin ausgeschüttet wird - > die Einlagerung in den Muskel wird verstärkt.
Aber speziell das Gehirn ist ja in besonderem Maße auf Glucose angewiesen.

Jetzt wenn aber mehr oder weniger "jedes" Glucosemolekül direkt in Glykogen umgewandelt und eingelagert wird - äääh, jaaa. Fehlt ja was.

Wie ist das mit dem Rückbau? Also eingelagertes Glykogen wieder zerlegen und als Glucose zurück ins Blut? Deshalb vernutlich die viele Bewegung :gruebel: Um diesen Prozess zu fördern. Bei gleichzeitig überwiegend Eiweiß und Fett als Nahrung. Um die Insulinausschüttzung minimalst zu halten.


:gruebel: ich glaub ich habs verstanden...

Oder?? Korrigier mich bitte.
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#8 Re: PSSM

Beitrag von DieDevi » So 23. Okt 2011, 18:45

In der aktuellen Cavallo steht was drin:

Dass nicht nur Quarter, Appalosa und Paint Horses dran leiden können sondern auch
Haflinger.
In Österreich haben Tierärzte 50 Hafis untersucht und 9 davon haben PSSM.

(Quelle: Cavallo 11/11)
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#9 Re: PSSM

Beitrag von LeonieMay » Mo 24. Okt 2011, 00:07

@ Devi: Leider auch sie. Wie auch Mixe und Warmblüter. Mitlerweile in ziemlich vielen Sparten. Nur viele Verbände haben noch kein Interesse, da zu wenig erkranken bzw. zu selten die Krankheit bei anderen Rassen als den "typischen" erkannt wird. :gruebel:
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#10 Re: PSSM

Beitrag von LeonieMay » Di 29. Nov 2011, 00:42

Fand die Veröffentlichung ganz interessant:

http://equinescienceupdate.blogspot.com ... opean.html
(Quelle: date.blogspot.com)

Hier ein Auszug:

Overall 62% of continental European draft horses possessed the GYS-1 mutation. The mutation was present in all breeds sampled and in all six countries (Belgium, France, Spain, Germany, Sweden and the Netherlands.)

Of the breeds in which more than 15 animals were tested, the Belgian trekpard had the highest number of horses with at least one copy of the GSY1 gene (92.1%). Over a third of the Belgian trekpard tested were homozygous for the GSY1 allele - that is they carried two copies of the defective gene. The mutation was also present in over 50% of the animals tested from the Comtois (79.8%), Netherlands trekpard (73.9%), Rheinisch-Deutsches kaltblut (68%) and Breton (64.4%) breeds.
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